Startseite » brillen.de scheitert vor Gericht
ZVA: Warum ordnet die Stadt Homburg (Saar) die Schließung einer nicht in die Handwerksrolle eingetragenen Filiale an?
Carsten Schmitt: Die Handwerksordnung erlaubt, bei zulassungspflichtigen Gewerken wie dem Augenoptikerhandwerk die Fortsetzung eines Betriebs zu untersagen, wenn der entgegen handwerksrechtlichen Vorschriften ausgeübt wird. Eine zentrale Ausübungsvorschrift ist die Eintragung in die Handwerksrolle.
Warum macht die Stadt kurzen Prozess und ordnet sofortige Vollziehung an?
In der Ausübung des Augenoptikergewerks entgegen einer solch zentralen Vorschrift sieht die Stadt Homburg (Saar) eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Denn die körperliche Unversehrtheit der Bürger ist ein wichtiges Gemeinschaftsgut. Wird also in einer nicht in die Handwerksrolle eingetragenen Filiale refraktioniert, wertet die Stadt Homburg (Saar) dies als Risiko gesundheitlicher Nachteile durch eine entsprechend schlecht angepasste Brille.
Zählt der remote beteiligte Meister denn gar nicht?
Glaubt man der SuperVista AG, komme es nur auf den Ort an, an dem der digital zugeschaltete Meister ist, nicht auf den Ort des Kunden. Deshalb müsse die Betriebsstätte auch gar nicht in die Handwerksrolle eingetragen sein. Die Richter sind aber anderer Meinung: Dann wäre es egal, wo der Kunde sei. Er müsse aber gerade in die Betriebsstätte kommen, um sich refraktionieren zu lassen. Außerdem werten sie die dort erbrachten Tätigkeiten als wesentlich. So müsse der Kunde richtig vor dem Phoropter platziert werden, und es müsse sichergestellt werden, dass das Gerät fehlerfrei funktioniert. Fun Fact: Diese Erkenntnis haben die Richter nicht von sich aus – da hat der ZVA etwas nachgeholfen …
Inwieweit war der ZVA an dem Verfahren beteiligt?
Das Verfahren wird zwischen der SuperVista AG als Antragstellerin und der Stadt Homburg (Saar) als Antragsgegnerin ausgefochten. Der ZVA ist also nicht am Prozess beteiligt. Die SuperVista AG hat aber ein Gutachten der Rechtsanwaltskanzlei Noerr vorgelegt, die ihre Position unterstützt. Dieses hat sie auch allen Handwerkskammern zukommen lassen. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat daher den ZVA als zuständigen Fachverband um eine Stellungnahme gebeten, die den Handwerkskammern helfen soll, die Stichhaltigkeit des SuperVista-Gutachtens besser beurteilen zu können. Diese Stellungnahme hat also über die Handwerkskammer des Saarlandes und die Stadt Homburg (Saar) vor Gericht gefunden und war dort offenbar überzeugender, wie die Entscheidungs-gründe zeigen.
Ist dies das erste oder einzige Verfahren, weil eine brilen.de-Filiale nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist?
Nein, zuvor gab es bereits eine Klage der SuperVista AG gegen die Stadt Wilhelmshaven wegen einer angedrohten Filialschließung vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg. Nachdem dieses in einem Hinweis aber durchblicken ließ, dass die Klage keinen Erfolg haben werde, zog die SuperVista AG diese zurück, um einem negativen Urteil vorzukommen. Aktuell gibt es noch ein zweites Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf. Hier klagt die SuperVista AG gegen die Handwerkskammer Düsseldorf. Diese hat eine brillen.de-Filiale, in der ein Augenoptikmeister beschäftigt ist und die somit alle Voraussetzungen für eine Eintragung erfüllt, von Amts wegen eingetragen. Auch gegen diese Zwangs-Eintragung wehrt sich die SuperVista AG.