ZVA-Themenfokus Optometrie

Die Optometrie ist die Lehre vom Sehen, von den Fehlsichtigkeiten und deren Korrektion. Sie umfasst neben der biologischen und physikalischen Optik die Kenntnisse und Techniken, um Ursachen von Sehproblemen zu erkennen und um Fehlsichtigkeiten zu messen und zu korrigieren.

Das Anwendungsziel der Optometrie ist, mit physikalisch-optischen Mitteln das bestmögliche Sehen beider Augen zu erreichen. Bereits seit vielen Jahrzehnten werden Augenoptiker an verschiedenen Fach- und Hochschulen in Optometrie unterrichtet, es handelt sich also hierbei um keine neue Disziplin der Augenoptik. Allerdings hat sich in den vergangenen Jahren das Berufsbild des Augenoptikers deutlich verändert; optometrische Untersuchungen prägen zunehmend dessen Tätigkeitsprofil.

Zusätzlich zur Bestimmung der Sehschärfe und der optimalen Brillen- beziehungsweise Kontaktlinsenkorrektion gehören zur optometrischen Untersuchung unter anderem die Überprüfung des Augeninnendrucks, des Gesichtsfeldes, des Kontrast- und Farbsehens sowie des Sehens in der Dämmerung, oft unter Zuhilfenahme modernster technischer Instrumente und immer beruhend auf dem Fachwissen und der Erfahrung des Optometristen.

Dienstleistungen der Optometrie werden auch künftig stärker nachgefragt. Gründe hierfür sind gesellschaftliche Entwicklungen wie der demografische Wandel mit der Zunahme an altersbedingten Augenerkrankungen oder die stetige Zunahme von Bildschirmarbeit und dem Gebrauch digitaler Medien. Damit einhergehend ist ein gestiegener Anspruch an optimales und anstrengungsfreies Sehen in Beruf und Freizeit.

Entwicklung der Medizintechnik

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 7. August 2000 (1 BvR254/99) entschieden, dass Augenoptiker berechtigt sind, den Augeninnendruck zu messen und das Gesichtsfeld ihrer Kunden zu prüfen und zu bewerten. Beides sind optometrische Untersuchungen, wenn sie vom Augenoptiker mit dem Ziel durchgeführt werden, Auffälligkeiten an den Augen der Kunden aufzudecken. Einige Jahre zuvor wäre eine solche Entscheidung undenkbar gewesen, da die Messung des Augeninnendrucks immer mit einer Berührung der Hornhaut einherging. Eine solche Berührung kann zu einer Entzündung des Auges führen, wenn das eingesetzte Gerät nicht steril ist. Durch die Entwicklung der berührungslosen Augeninnendruckmessung war jedoch der Weg frei, diese Untersuchung auch von Augenoptikern durchführen zu lassen. Inzwischen sind Geräte mit Einwegmessspitzen am Markt erhältlich, die dem Augenoptiker auch die Messung per Kontakttonometer (bei halb geschlossenem Auge) erlauben, wobei in der Regel bessere Messergebnisse erzielt werden können.

Neue Meisterprüfungsverordnung

In der Augenoptikermeisterprüfungsverordnung sind das Meisterprüfungsberufsbild und die Prüfungsanforderungen festgelegt. Im Jahr 2005 wurde die Meisterprüfungsverordnung novelliert. Dort ist festgeschrieben, dass der Augenoptiker die „Sehleistung messen und Methoden zum Erkennen von Sehleistungsminderungen anwenden, Ergebnisse darstellen und weiteres Vorgehen begründen; Auffälligkeiten des Auges erkennen […]“ soll. „Auffälligkeiten des Auges“ kann der Augenoptiker allein dann erkennen, wenn er die Kunden optometrisch untersucht.

Es gibt bereits seit mehreren Jahren Fortbildungsangebote für Augenoptikermeister zum Optometristen (HWK) an den Handwerkskammern Potsdam, Düsseldorf, Dresden, Braunschweig/Lüneburg/Stade und München (seit 2020) sowie zum Optometristen (ZVA) in Köln.

Sehhilfenversorgung durch Augenoptiker

Über 80 Prozent der Brillenglasbestimmungen (Refraktion), die unverzichtbare Grundlage für die Herstellung einer Korrektionsbrille oder auch für die Kontaktlinsenanpassung sind, werden durch Augenoptiker vorgenommen. Da die Refraktion zu seinen Haupttätigkeiten gehört, ist der Augenoptiker damit die erste Anlaufstelle für Sehprobleme. Lediglich für sehr wenige Fehlsichtige, die aufgrund einer stärkeren Sehbeeinträchtigung seit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsstärkungsgesetz (HHVG) von 2017 wieder einen Anspruch auf Zuschüsse der gesetzlichen Krankenkassen zu Brillengläsern oder Kontaktlinsen haben, ist im Falle der Versorgung mit Sehhilfen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen eine ärztliche Verordnung erforderlich. Folgeversorgungen kann der Augenoptiker grundsätzlich zu Lasten der Krankenversicherung vornehmen (siehe hierzu auch das ZVA-Informationsblatt zum HHVG).

Da der Augenoptiker aber in der Regel nur für Sehprobleme gesunder Augen zuständig ist – schließlich ist eine Fehlsichtigkeit keine Krankheit – muss er in der Lage sein, zu erkennen, ob das vom Kunden geschilderte Sehproblem offenkundige Folge einer Augenerkrankung ist, deren Diagnose und Therapie Aufgabe des Augenarztes ist. Eine Reihe von Augenerkrankungen (die sogenannten chronisch degenerativen Augenerkrankungen) verlaufen schleichend, ohne dass der Betroffene hiervon zunächst etwas bemerkt. Treten selbsterkennbare Symptome – wie etwa deutliche Sehbeeinträchtigungen – auf, dann sind regelmäßig bereits irreparable Gesundheitsschäden entstanden. Vor diesem Hintergrund ist die Fähigkeit des Augenoptikers umso bedeutsamer, Indizien zu erkennen, die auf eine schleichende Erkrankung hindeuten, um den Kunden in diesem Fall zur Abklärung an einen Augenarzt zu verweisen.

Lotsenfunktion

Die notwendigen Fähigkeiten erlangt ein Augenoptiker nur mit einer fundierten optometrischen Ausbildung. Angesichts des demografischen Wandels, der auch nach Meinung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte zu einem starken Anstieg der chronisch-degenerativen Augenerkrankungen führt, wird der Bedarf nach optometrisch arbeitenden Augenoptikern zukünftig noch größer werden. Dies insbesondere auch deshalb, da die Zahl der Augenärzte – besonders in ländlichen Regionen – rückläufig ist. Die Ausweitung des Angebotes an optometrischen Dienstleistungen dient im Ergebnis dem Gesundheits- und Verbraucherschutz. Der Optometrist hat somit nicht nur eine wichtige Lotsenfunktion im Gesundheitswesen, sondern kann auch zur Entlastung der Arztpraxen beitragen, indem bestimmte Vorsorgeleistungen und die Sehhilfenversorgung durch ihn abgedeckt werden.

Marktentwicklungen

Kontaktlinsen und Korrektionsbrillen werden vermehrt auch online angeboten. Da diese Anbieter Qualitätsstandards umgehen, stellen sie jedoch nur vermeintlich eine günstigere Alternative zu den stationären Augenoptikern dar. Durch eine Verlagerung des Unternehmenssitzes ins Ausland wird beispielsweise der Geltungsbereich der Handwerksordnung umgangen. Außerdem entfällt online die Ermittlung individueller Messdaten, die Grundlage für eine fachlich fundierte Beratung ist. Stationäre Augenoptiker punkten in diesem Umfeld durch ihre starke Dienstleistungskompetenz und optometrische Untersuchungen, die ein Online-Händler nicht bieten kann. Beim Optometristen kommen heute Techniken und Geräte wie z.B. die optische Kohärenztomographie (OCT) oder Funduskameras zum Einsatz, die es ermöglichen, den Augenhintergrund mittels moderner bildgebender Verfahren auf Auffälligkeiten hin zu untersuchen. Dank Cloud-Lösungen und dem Vorantreiben der Telemedizin ist auch die Optometrie zunehmend vernetzt. Systeme, die sich Künstlicher Intelligenz bedienen, unterstützen den Optometristen bei der Auswertung der Befunde und erweitern sein Leistungsspektrum. Nichtsdestotrotz gewährleistet nur eine fundierte optometrische Ausbildung den versierten Umgang mit den zahlreichen technischen Geräten und die Fähigkeit, die Untersuchungsergebnisse zu interpretieren.

Ausländische Einflüsse

In vielen Nachbarstaaten wie zum Beispiel in der Schweiz und in den Niederlanden, aber auch in den anglo-amerikanischen Ländern ist anerkannt, dass Augenoptiker optometrische Untersuchungen anbieten, ohne einen ärztlichen Beruf auszuüben. In der Schweiz dürfen Optometristen nach dem neuen Gesundheitsberufegesetz seit 2020 auch diagnostische Medikamente einsetzen. Mittlerweile werden viele deutsche Augenoptiker in diesen Ländern ausgebildet und verstehen sich genauso wie die Absolventen der deutschen Fachhochschulen in Aachen, Aalen, Berlin, Jena und München als Optometristen. Auch der europäische Berufsverband, der European Council of Optometry and Optics (ECOO), strebt eine europaweite Harmonisierung der Aus- und Fortbildung in Richtung Optometrie an.

FAZIT

Der Optometrist prüft, welche Störungen des Sehens einer ärztlichen Abklärung bedürfen und welche mit den Mitteln der Augenoptik und Optometrie zu korrigieren sind. Er trägt zur Gesundheitsvorsorge rund ums Auge und zum optimalen Sehen bei jeglicher Fehlsichtigkeit und speziellen individuellen Anforderungen bei. Das Tätigkeitsfeld des Augenoptikers und Optometristen hat sich in den vergangenen Jahren zudem geändert: Aufgrund der demografischen Entwicklung und des sich bereits abzeichnenden Mangels an Augenärzten – speziell in ländlichen Gebieten – schließt der Optometrist eine mögliche Versorgungslücke und nimmt somit eine wichtige Lotsenfunktion in der Sehversorgung in Deutschland ein.

Fotohinweis: ZVA/ Heike Skamper