ZVA-REPORT PLUS

Ausgabe Nov. 2025

Studie zur KI in der Augenheilkunde

Die LMU München und die TH Augsburg haben eine Studie zum Thema „Künstliche Intelligenz in der Augenheilkunde” mit Förderung des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst durchgeführt und veröffentlicht. Die Studie untersucht, warum für die Augenheilkunde zwar zahlreiche KI-gestützte klinische Entscheidungsunterstützungssysteme (AI-CDSS) entwickelt wurden, diese aber bislang nur begrenzt in der Praxis Anwendung finden sind.

Es wurden 22 Interviews mit Fachpersonen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz geführt (Augenärzte & Augenoptik/Optometrie-Assistenten) und mit dem theoretischen Rahmen NASSS Framework („Nonadoption, Abandonment, Scale-Up, Spread, Sustainability“) ausgewertet.

 

Die Ergebnisse lassen sich wie folgt kategorisieren:

 

1. Anwendungsfälle und Nutzungspotenzial

Die Befragten sahen großes Potenzial bei bildbasierten Systemen – z. B. für das Erkennen Diabetischer Retinopathie (DR), Altersbedingter Makuladegeneration (AMD), Glaukom und Keratokonus. Besonders hilfreich wurde dabei die KI-Unterstützung bei Routinediagnostik gesehen (z. B. Screening, einfache Auswertungen) sowie bei komplexen Fällen, wo die menschliche Aufmerksamkeit irgendwann ausgeschöpft ist oder viele Bilder auswertet werden müssen.

2. Technische und workflowbezogene Anforderungen

Bei der Wahl der KI ist die Benutzerfreundlichkeit (Usability) entscheidend: Ein Tool muss schnell erlernbar sein, mit wenigen Klicks und möglichst nahtlos in den Workflow integriert werden können. Wichtig ist außerdem: Die KI sollte mehrere Datenquellen integrieren können (z. B. OCT, Druckwerte, Perimetrie).   Augenoptiker und Optometristen sollten also bei der Implementierung von KI-Tools auf die Geräte-Infrastruktur und Schnittstellen achten (z. B. wie OCT oder Perimeter). Ohne das droht Mehraufwand statt Entlastung.

3. Wertversprechen (Value Proposition)

Die Befragten erhofften sich mehrere Vorteile den dem Einsatz der KI in der Berufspraxis. Die wichtigsten waren: Effizienzgewinne (z. B. Zeitersparnis bei der Befunderstellung), Verbesserung der Behandlungsqualität (z. B. höhere Erkennungsrate, weniger Fehler) und Arbeitserleichterung. Allerdings verlieren diese Vorteile einer dauerhaften Nutzung an Bedeutung, wenn der Aufwand (z. B. für Einführung, Schulung, Workflow-Änderung für den Einsatz der KI) größer ist als der Nutzen. Vor dem Einsatz in der Praxis sollte man sich daher fragen: In welchem Bereich lohnt sich die KI wirklich? Welche Routineaufgabe kann ich mit ihr verbessern?

 4. Persönliche und organisatorische Voraussetzungen

Auf der anderen Seite müssen die Nutzer von KI Interesse, Offenheit und digitale Kompetenz mitbringen sowie ein realistisches Verständnis ihrer Grenzen haben. Darüber hinaus ist eine ausreichende Infrastruktur in den Betrieben notwendig.  Dazu gehören neben aktuellem IT-Equipment und kompatiblen Geräte, stabile Datenverbindungen und geschultes Personal.

5. System- und gesellschaftliche Rahmenbedingungen

Als system- und gesellschaftliche Rahmenbedingungen nennen die Forschenden zusammenfassend Regulierungen von z. B. Datenschutz oder Medizinprodukt-Zulassungen als Schlüsselfaktoren, die die Entscheidung für oder gegen KI beeinflussen. Die Wirtschaftlichkeit eines Tools bleibt ebenfalls ein dominierendes Thema, denn: Wer ohne klaren Ertrag investieren muss, setzt nichts um! Daher ist für  Augenoptik-Betriebe essenziell die Wirtschaftlichkeit eines Tools zu überprüfen. Außerdem sind es gerade ältere Kunden und Patienten, die der KI skeptisch gegenüberstehen. Daher ist in diesem Fall die richtige Kommunikation wichtiger denn je.

6. Langfristige Integration und Nachhaltigkeit

KI-Tools laufen nicht von Beginn an einwandfrei – und genau das kann abschreckend wirken. So besteht das Risiko, dass das KI-Tool direkt wieder abgeschafft wird, wenn es sich nach der Einführung nicht sofort effizient in den Alltag integrieren lässt oder zusätzlichen Aufwand macht. Außerdem besteht die Gefahr, dass sich das Fachpersonal zu sehr auf die KI verlässt und dadurch selbst nachlässiger arbeitet – eine bewusste „Überwachung“ der KI bleibt wichtig.

 

Für die Optometrie und Augenoptik ergeben sich anhand der Ergebnisse folgende handlungsweisende Erkenntnisse in verschiedenen Tätigkeitsbereichen:

 

  • Screening & Früherkennung: Optometrische Praxen könnten KI-gestützte Systeme einsetzen, um z. B. Patienten mit Diabetes oder dem Verdacht auf Makula-Erkrankungen frühzeitig handeln zu können und an die Augenärzte zu übermitteln.
  • Qualitätsmerkmal & Wettbewerb: Der Einsatz von KI kann zum Qualitätsmerkmal werden – wenn die Umsetzung passt.
  • Arbeitsentlastung: Bei hohem Bild- oder Messaufkommen (z. B. OCT, Fundus) kann KI dabei helfen, Routineaufgaben zu übernehmen und damit die Dienstleistung schneller oder mit geringerer Fehlerquote anbieten zu können – aber nur, wenn der Workflow effizient bleibt.
  • Weiterbildung & Kompetenzaufbau: Optometristen und Augenoptiker sollten im Umgang mit KI-Tools geschult werden – aber nicht nur in der Anwendung. Es sollte auch ein Verständnis über die Grenzen von KI geschaffen werden und Ergebnisse richtig interpretiert werden können.
  • Kooperation mit Augenärzten: Da viele Anwendungen sich auf Diagnostik und Überweisung beziehen, ergibt sich für Augenoptik/Optometrie eine Schnittstelle zur Augenheilkunde – z. B. durch gemeinsame Implementierung und Rückkopplung der KI-Ergebnisse.
  • Investitionsüberlegung: Die Studie macht deutlich, dass nicht jedes KI-Tool sofort sinnvoll ist – Kosten/Nutzen müssen stimmen, die richtige Geräte-Infrastruktur vorhanden sein und der Workflow angepasst werden. Für kleine Betriebe kann dies eine Hürde sein.

 

Die Studie können Sie hier genauer nachlesen! 
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